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Lebensträume in 8bit – wenn Lars philosophiert

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Die junge Generation ist es gewohnt, stets von modernster Technik umgeben zu sein: iPhone hier, Facebook dort und überall die Möglichkeit, sich noch spontan zu einem Besuch im 3D-Kino zu verabreden. Doch gerade in dieser Zeit der Technisierung fühlen sich viele junge Leute besonders zu alten Werten hingezogen: flach und in 2D. Statt dreidimensionaler Popcorn-Action vor der großen Leinwand oder den realistischen Welten moderner Unterhaltungselektronik flüchten sich diese Menschen in eine Welt, die noch in Ordnung zu sein scheint. Nicht selten werden dort die Zeichentrickhelden der späten 80er und frühen 90er-Jahre auf dem heimischen Fernsehgerät wiederbelebt. Und auch klassische Videospiele wie „Super Mario Bros.“, „Donkey Kong“ oder „Sonic the Hedgehog“ feiern als vergessen geglaubte Pixelhelden ihre Renaissance. Gerade jener Minimalismus dieser Zeitepoche scheint es zu sein, der solche Menschen auch heute noch zu faszinieren vermag. Oder liegt das wahre Erfolgsgeheimnis jener, inzwischen eher altertümlich anmutender Medien noch etwas tiefer unter der Oberfläche?

Ein kleines Stück Kindheit

Viele, die dieser neuen Generation von Retro-Fans angehören, sind just in dieser Zeit aufgewachsen und verbinden auch heute noch eine Menge Nostalgie mit den Wahrzeichen ihrer Jugend. Doch wenn man den Meinungen der Probanden glauben darf, rückt dieses Gefühl bei den Meisten mit der Zeit in den Hintergrund. Zwar bestreiten sie nicht, dass ihre Kindheitshelden wie „Die Schlümpfe“, „Captain Future“ oder „Saber Rider und die Starsheriffs“ noch heute einen Platz in ihrem Herzen haben. Die große Faszination dahinter sei aber tiefergreifend – die Welt war damals einfach noch eine andere. Sowohl bei Zeichentrick-Serien als auch bei den Videospielen der zweiten Generation war die Zielgruppe eindeutig – Kinder und pubertierende Halbstarke sollten an das heimische Fernsehgerät gebannt werden. Dabei war die Erzählweise jener Geschichten noch viel kindgerechter, als sie es heute zu sein vermag. Schimpfwörter waren tabu, ebenso übertriebene Grausamkeit und sinnlose Gewalt. Zumeist kämpfte der klassische Helden-Stereotyp gegen die Ausgeburt des Bösen – ein Weltbild in Schwarz-Weiß. Doch auch hier hatte die Typisierung ihre Grenzen: Ob nun Gargamel als Oberschurke in „Die Schlümpfe“ oder Skelletor als Gegenspieler von He-Man – nie wurde der Bösewicht unfair behandelt oder vernichtend zurückgeschlagen. Stattdessen wurde er mit Respekt behandelt, in einer geradezu kindlichen Naivität erst außer Gefecht gesetzt und am Ende mit einer humoristischen Einlage zurück in seine Behausung gejagt. Schon damals wussten die Kinder: Wer am Boden liegt, hat verloren! Nachtreten ist nicht nur unsportlich, sondern auch feige. Solche Werte des sozialen Miteinanderlebens wurden am Ende jeder Folge noch einmal von den Protagonisten heruntergebetet, um sie so dem Nachwuchs vor den Fernsehgeräten nahe zu bringen. Ob es sich hierbei um Themen wie „Wahre Freundschaft“ oder „Stehe stets für deine Fehler ein“ handelte, am Ende hatte jeder der Handlungsstränge noch eine Lehre fürs Leben mit im petto, die in kindgerechter Form an das junge Publikum ausgesandt wurde. Darum hatten die Kinder jener Zeit immer das Gefühl, am Ende noch etwas für den weiteren Lebensweg gelernt zu haben.

Lernen fürs Leben – das vergessene „Trial-&-Error“-Prinzip

Genau jene Lehren und Moralvorstellungen übernahmen auch die ersten Videospiele der 80er-Jahre: Das „Prinzip des Ausprobierens“ in einer gefahrlosen Umgebung wurde zum Selbstzweck des Spielens auserkoren. Nur wer die nach und nach erlernten Mechaniken und Spezialfertigkeiten eines „Mega Man“ meisterte, durfte sich am Ende dem Bösewicht Dr. Wily stellen und als strahlender Held die Welt vor dem Unheil befreien. Auch ein Versagen auf diesem zum Teil steinigen Weg des virtuellen Erfolges wurde grafisch angekündigt. Dann hieß es schlicht: Game Over – auf Deutsch: „Das Spiel ist vorbei“. Dies war jedoch kein Rückschlag von Dauer, denn stets sorgte jene Meldung für einen neuen Motivationsschub, es beim nächsten Versuch besser zu machen. Man verinnerlichte, aus den begangenen Fehlern zu lernen und neue Dinge auszuprobieren. Eine Methode, die auch im heutigen Berufsleben noch eine große Rolle spielt. Auf diese Weise wurde den Jugendlichen auf spielerische Art und Weise vermittelt, wie diese mit unbekannten Situationen umzugehen haben, und dass ein kleiner Rückschlag nicht zwangsläufig auch bedeutet, die Welt stehe am Abgrund.

„Retro“ als philanthropische Flucht nach vorn

Genau diese Metaebene ist es, die die Faszination derartig veraltet anmutender Medien für „Retro-Fans“ ausmacht. Sie repräsentieren eben jene Werte und Moralvorstellungen, die scheinbar über die Jahre verloren gegangen sind. Auch die junge Generation von heute sehnt sich, genau wie damals, nach Anweisungen für den eigenen Lebensweg. Auch scheint der bereits allgemein angeprangerte Verlust von Werten in unserer Gesellschaft ein Dilemma zu sein, das die junge Generation nicht einfach so auf sich sitzen lassen will. Darum flüchtet sie sich zeitverloren in ihrer Freizeit in eine Welt, die von der Zeit vergessen wurde. Eine Welt, die scheinbar verlorene Werte und vermeintlich überholte Prinzipien auch über das Erwachsenwerden hinaus in die Höhe hält – ein Stück kindlichen Hochmuts, das die Welt verbessern will. Bis einen die harte Realität wieder einholt und man sich selbst sagen hört: „Früher war eben alles besser!“.

Ein besonderes Dankschön an Sebastian von PIXELKITSCH für das Artikelbild!

PIXELKITSCH


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